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Kettwiger Zeitzeichen Nr. 2

Abschnitt 2: Geschichte des Marktplatzes

von Helmut Wißler

Außerhalb der Wochenmärkte wird unser Marktplatz in seiner eigentlichen Funktion nicht mehr wahrgenommen. Als uralter Platz im Herzen des Ortes, als frühes Zentrum des Handels und des dörflichen Vergnügens möchte ich uns den Platz ins Gedächtnis rufen.

- Kettwig, Ausschnitt nach der Kataster-Uraufnahme von 1821(Anm. 1)

08 1821 Rahmenhof.jpg

Gepunktete Flächen waren Gärten, das Baumsymbol weist auf einen Obstgarten. Flächen mit zwei Strichen

waren Wiesen oder Weiden. Schraffierte Flächen symbolisieren Gebäude.

 

Wir können uns an der evangelischen Kirche mit dem Kirchhof orientieren. Gebäude 390 war das ehemalige Pastorat II. Heute befindet sich dort das Kaiser-Wilhelm-Denkmal. 393 war das Pastorat I.

Zu 395 erzählt Fritz Flothmann(Anm. 2):

„In zur ersten Pastorat gehörigen alten Stallungen waren die städtischen Feuerspritzen untergebracht; an einer den Garten der zweiten Pastorat begrenzenden überbauten Mauer hingen die Brandleitern.“

 

Die Flurstücke 396 und 397 waren Wiesen, 396 ist als Rahmenhof gekennzeichnet. In den Anfängen der Tuchproduktion bediente man sich zum Trocknen der Tuche im Freien stehender Tuchrahmen. Die Tuche wurden jeweils nach dem Walken, Waschen und dem Färben getrocknet. Mit dem Trocknen erfolgte auch ein Spannen des Tuches, damit es eine bestimmte Länge und eine gleichmäßige Breite erhielt. Die nassen, schweren Tuche zu spannen war Knochenarbeit. Es ist vorstellbar, dass die Tuche aus der Manufaktur „Joh. Wilh. Scheidt“ die sich vom Kirchplatz bis in den Endepoet ausdehnte (Flurstück 282) auf dem Rahmenhof getrocknet wurden, denn bis in die 1860er-Jahre klapperten dort noch die Webstühle(Anm. 3).

09_Rahmenhof_Brüggemann.jpg

Rahmenhof nach 1832 und vor 1885

aus Brüggemann, 1910

Am anderen Ende des heutigen Marktplatzes erkennen wir den Hexenberg. Auf dem Flurstück 403 befindet sich heute ein Supermarkt. Hier war ab 1825/1826 die erste Station der Fahrpost und das Hotel und der Gasthof „Kettwiger Hof“. Der heutige Marktplatz war der Wendeplatz für die Postkutschen. Die Postkutsche fuhr die Strecke Essen über Werden nach Kettwig und weiter über Ratingen nach Düsseldorf in beiden Richtungen. Später war hier die Bushaltestelle „Kettwig Markt“.

 

Pferde, Bauernwagen und Kutschen werden an Sonn- und Feiertagen auf dem Marktplatz gestanden haben. 1199 wurde die Pfarrei Kettwig, 1250 die Kirche von Kettwig erstmals urkundlich erwähnt. Sie war dem Patrozinium des Petrus gewidmet. Das Kirchspiel Kettwig reichte von Isenbügel bis Haarzopf und Bredeney. Kirchgang war christliche Pflicht, entweder schlecht gefahren oder lange gelaufen waren die Alternativen auf unbefestigten Wegen und Straßen.

 

Die wesentlichen, den Platz ausmachenden Grundstücke waren im Besitz der evangelischen Gemeinde. Die Stadt Kettwig kaufte 1831 die direkt an der Hauptstraße liegenden Grundstücke, um eine Bebauung bis an die Straße zu verhindern und so den Platz zu erhalten.

 

In den betreffenden Akten heißt es(Anm. 4):

Auf diesem Platze werden bis jetzt die Märkte mit den Jahrmärkten gehalten und wenn, wie dies zu erwarten stehe, der Verkauf des selben (an Private als Bauplätze) realisirt, dann fehle es dem hiesigen Orte an jedem öffentlichen Platze, es entstehe dadurch die größte Verlegenheit, indem man nicht wisse, wo die Märkte für die Zukunft gehalten werden sollen, ja es fehle an einem Platze, wo Wagen und Karren umgedreht werden können, indem die Straßen dazu zu eng seyen. Selbst die Postwagen werden, wenn der fragliche Platz mit Häusern bis an die Straße besetzt, nicht mehr gedreht werden können.

 

1832 wurden die heute den Marktplatz rahmenden klassizistischen Bürgerhäuser erbaut. 1884 wurde das Pastorat I niedergelegt und das Doppelpastorat neben den Bürgerhäusern errichtet. Das Pastorat II wurde 1885 abgebrochen.

Das zwischen Kirchtreppe und Meistersweg liegende Stück der Ruhrstraße wird in dem Plan von 1821 „Knüppelmarkt“ genannt. Es handelte sich jedoch weder um einen Markt, noch führte dieser Weg zu einem Markt. Dieser Weg wurde eigentlich *Knöppelmark genannt(Anm. 5). Knöppel-*mark ist ein mit Knüppeln (Astholz) ausgelegtes feuchtes Geländestück. Der durch dieses feuchte Geländestück führende Weg wurde dadurch befestigt und konnte besser befahren werden.

 

*Knöppelmark

Im sprachwissenschaftlichen Zweig der Philologie und damit auch in der Etymologie zeigt das * an, dass eine Wurzel, ein Wort, eine Form oder eine Lautung nicht schriftlich bezeugt (belegt) ist.

10 Marktplatz 1903.jpg

Marktplatz um 1903 (zweireihig mit Platanen bepflanzt)

Ansichtskarte, Poststempel 1903 (Archiv Wißler)

Fußnoten:

1 KiGuS, Band 8, nach Seite 74

2 KiGuS, Band 2, Seite 8 und 9

3 aus Scheidt 1926

4 aus KiGuS, Band 2, Seite 19

5 KiGuS, Band 3, Seite 28

 

Quellen

siehe Abschnitt 3

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